Die folgende nutzerfreundliche Studienzusammenfassung von Sabine George ist unter dem Titel „Fokus auf Funktionen: Vergleich rein `kontextbezogener Interventionen´ mit `kindbezogenen Interventionen´ bei Kindern mit Zerebralparese: eine clusterrandomisierte kontrollierte Studie“ in der Zeitschrift ergoscience (ergoscience 2011; 6(3): 125–6) veröffentlicht und wurde dem DVE freundlicherweise vom Schulz-Kirchner Verlag für die EBP-Datenbank zur Verfügung gestellt. Die kritische Beurteilung mittels PEDro-Skala erfolgte durch den DVE. Zum Einstellen in die Datenbank musste der DVE redaktionelle Änderungen vornehmen. Die Original-Studienzusammenfassung, wie sie in der ergoscience erschienen ist, können Sie über https://www.skvshop.de/de/ beziehen.
Früher wurden bei Kindern mit Zerebralparese (ZP) in der Ergo- und Physiotherapie vornehmlich Interventionen angewandt, die Körperfunktionen und -strukturen verbessern sollten. Man nahm an, dass sich dadurch auch die Fähigkeiten zur Durchführung von Aktivitäten und die Teilhabe verbessern würden. Aktuell verlagert sich der Therapieschwerpunkt zunehmend auf eine Verbesserung der Fähigkeiten der Kinder zur Durchführung von Aktivitäten in ihrer Umwelt und ihrer Familie. Zur Frage, wie das erreicht werden kann, gibt es bereits einige Theorien, Therapieansätze und Studien, etwa die dynamische Systemtheorie, Therapieansätze wie das aufgabenorientierte Training und den familienzentrierten Ansatz. Auf der Basis von dynamischer Systemtheorie und familienzentriertem Ansatz wurde in den vergangenen Jahren eine neue Therapieform entwickelt, die kontextbezogene Therapie. Mit dieser sollen die `motorischen´ Alltagsaktivitäten von Kindern in erster Linie dadurch verbessert werden, dass Barrieren und Einschränkungen, die aus der Aufgabe selbst und/oder aus der Umwelt resultieren, identifiziert und verändert werden. Der Schwerpunkt der Therapie liegt also weder in der Veränderung motorischer Funktionen noch der damit verbundenen Fähigkeiten der Kinder. Vielmehr sollen Aufgaben und Umwelt so verändert werden, dass das Kind seine eigenen Bewegungsstrategien anwenden kann und zum eigenständigen Üben individuell relevanter Aufgaben in seiner natürlichen Umgebung animiert wird. Zwei Pilotstudien haben gezeigt, dass dieser Ansatz bei Kindern mit ZP anwendbar ist und das Potenzial hat, die gewünschten Veränderungen herbeizuführen [1, 2]. Dies sollte nun erstmals in einer großen randomisierten Studie überprüft werden.
Untersucht wurde die Frage, wie sich bei Klein- und Vorschulkindern mit ZP eine Therapie mit dem kontextbezogenen Ansatz im Vergleich zu einer Therapie mit einem kindbezogenen Ansatz (Fokus auf der Verbesserung von Körperfunktionen, -strukturen und motorischen Fähigkeiten der Kinder) auswirkt in Bezug auf a) die Performanz (Leistung) bei funktionalen Aufgaben und bei der Mobilität sowie b) die Verbesserung der Teilhabe an Alltagsaktivitäten. Interventionen. Zur Untersuchung dieser Frage wurden die Kinder einer von zwei Gruppen zugeteilt. Eine Gruppe bekam Therapie nach einem kindbezogenen Ansatz, die andere nach dem kontextbezogenen Ansatz (s. u.).
Beide Gruppen bekamen die jeweilige Therapie durch Ergo- und/oder Physiotherapeuten in 18–24 Therapieeinheiten im Verlauf von 6 Monaten. Nach dem 6. Monat bis zum 9. Monat der Studie, in dem die letzte Nachuntersuchung erfolgte, erhielten die Kinder ihre normale Ergo-/Physiotherapie. Die Eltern beider Gruppen bekamen Informationen, Beratung und Schulung zur Erkrankung und zu Strategien, wie sie die Inhalte der jeweiligen Therapien zuhause weiter vertiefen und üben konnten.
Hier identifizierten die Therapeuten zunächst die Schädigungen (Körperfunktionen/-strukturen), die für die funktionalen Einschränkungen verantwortlich waren (z. B. Tonus, Haltung, Bewegungsausmaß). Anschließend arbeiteten sie einerseits gezielt an der Verbesserung der motorischen, sensorischen und/oder kognitiven Schädigungen und übten andererseits spezifische Bewegungen und Aufgaben. Zum Einsatz kamen zeitgemäße in der Literatur beschriebene Therapieverfahren wie z. B. Dehnen, Schienenversorgung, Redression, Krafttraining, sensomotorische(s) Training/Stimulation, bilaterales isokinetisches Training, Gewichtsübernahme durch die Hände und die Fazilitation von normalen Bewegungsmustern und posturaler Kontrolle durch physiologisches Handling und Üben funktionaler Aktivitäten.
Beim kontextbezogenen Ansatz [3] wurde ein Bezugstherapeutenmodell zugrunde gelegt: Es behandelte entweder ein Ergo- oder ein Physiotherapeut, ein Therapeut der jeweils anderen Berufsgruppe stand nur beratend zur Seite. Die Therapeuten sollten nicht an Schädigungen (Körperfunktionen/-strukturen) arbeiten. Zunächst benannten die Eltern im Canadian Occupational Performance Measure (COPM) motorische Aufgaben, die ihr Kind von sich aus initiierte, zu modifizieren versuchte und an denen es Interesse zeigte. Anschließend wurde jedes Kind mindestens einmal bei den Aufgaben, die als Ziele genannt worden waren, gefilmt. Für jede Aufgabe wurden in einer Aufgabenanalyse gemeinsam von Therapeut und Eltern Faktoren der Aufgabe und der Umwelt identifiziert, die die Leistung (Performanz) des Kindes bei dieser Aufgabe beeinträchtigten. Der Schwerpunkt der Therapie lag sodann darauf, die gefundenen Barrieren der Aufgabe oder der Umwelt zu verändern. Die Kinder wurden angeleitet, Kompensationsstrategien einzusetzen, um die funktionalen Aufgaben durchführen zu können. Wo es möglich war, wurde direkt in der normalen Umgebung des Kindes geübt, also z. B. zuhause oder im Kindergarten.
Erklärungen der EBP-Fachbegriffe finden Sie im Glossar.
Keyword 1: Kinder
Keyword 2: Zerebralparese
Keyword 3: alltagsorientierte Intervention
Weitere: Aktivitäten (ICF), Aktivitäten und Teilhabe (ICF), alltagsorientierte Intervention, andere Intervention, Assessment of Preschool Children´s Participation, Aufgabenausführung, aufgabenorientiertes ergotherapeutisches Alltagstraining, betätigungsorientiert, Betätigungsperformanz, Bewegungsausmaß, Bottom up-Ansatz, Canadian Occupational Performance Measure, cluster-randomisierte Studie, Empowerment, ergotherapeutische Interventionen, Ergotherapie, Family Empowerment Scale (FES), funktionsorientierte Intervention, Grobmotorik, Gross Motor Function Measure, interdisziplinär, Kinder, Kindergartenkinder, Kinder und Jugendliche, Kleinkinder, klientenzentriert, kontextbezogener Ansatz, Kontextfaktoren, Körperfunktionen und -strukturen (ICF), Mobilität, multidisziplinär, multizentrische randomisierte kontrollierte Studie, multizentrische Studie, Neuropädiatrie, Pädiatrie, pädiatrische Rehabilitation, Partizipation / Teilhabe (ICF), Pediatric Evaluation of Disability Inventory, randomisierte kontrollierte Studie, Top Down-Ansatz, Vorschulkinder, Zerebralparese